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Vergesellschaftungsmethoden... oder Wie verhindere ich Mord und Totschlag?
Schrittweise Aneinandergewöhnung
Die schrittweise Aneinandergewöhnung stellt das langjährig erprobte und bewährte Standardverfahren der Farbmausvergesellschaftung dar.
Wichtige Hinweise vorab:
- Gruppenduft: Ein wichtiges Prinzip ist die Mitnahme des neuen Gruppenduftes, d.h. aus jeder Station muss das eingepinkelte Streu und Nistmaterial mit in die nächste genommen werden. Damit erleichtert man den Tieren die Annahme des gemeinsamen Gruppengeruchs. Mäuse orientieren sich sehr stark über Gerüche und erkennen vor allem auf diese Weise bekannte Tiere.
- Langsam vorgehen: Lassen Sie sich und den Tieren viel Zeit. Meistens brauchen die Tiere einige Wochen, um sich wirklich aneinander zu gewöhnen. Pro Station sollten am besten 24 Stunden vergehen, bevor ein Umsetzen in die nächste Station erfolgt.
Das „schwächste“ Tier sollte das Tempo bestimmen, d. h. erst wenn auch nervöse, leicht irritierbare Tiere zur Ruhe gekommen sind, sollte die VG weitergehen. Rechnen Sie vor allem zu Beginn einer VG mit ängstlichen oder impulsiven Reaktionen mancher Tiere, wie dem sog. Popcornen, Aufreiten oder Schwanztrommeln. Die ungewohnte Umgebung und die fremde Gesellschaft verunsichern die Mäuse. Sie brauchen einfach Zeit, bis sie sich orientiert und ihre Gruppenhierarchie geklärt haben. Dann stellt sich auch wieder ein normales Sozialverhalten ein.
Auch wenn die Tiere bereits nach kurzer Zeit friedlich erscheinen und kuscheln, sollte man sich an die 24 Stunden-Vorgabe halten. Rangkonflikte werden oft erst nach 4 bis 5 Tagen ausgetragen und können dann 8 Tage oder länger anhalten. Der größte Fehler bei einer Vergesellschaftung ist ein zu schnelles Vorgehen, so dass es nach einigen Wochen und/oder auf größerer Fläche zu Streit kommt und man von vorne beginnen muss!
- Futter/Wasser: Auf allen Stationen müssen die Tiere ausreichend frisches Wasser und Körnerfutter zur Verfügung haben. Lediglich ganz am Anfang, z.B. in der Badewanne, kann es ratsam sein, einen Wassernapf erst hineinzustellen, wenn sich die erste Aufregung gelegt hat und die Mäuse nicht mehr ständig durch das Wasser laufen.
Die Schritte im einzelnen:
1. Neutrales Gebiet:
Zu Beginn setzt man die Tiere auf geruchsneutrales Gebiet, das allen Tieren noch unbekannt ist. Dieser Ort sollte genug Platz bieten, um den Tieren ein Ausweichen zu ermöglichen, gleichzeitig ausbruchssicher und lediglich mit Futter und Wasser ausgestattet sein. Besonders bewährt hat sich in dieser Beziehung eine mit Handtüchern ausgelegte Badewanne. Zunächst werden die Tiere aufgeregt durcheinander laufen und die neue Umgebung erkunden. Ziel dieser Etappe ist nur ein erstes Kennenlernen, somit kann sie beendet werden, wenn die Tiere auf einem Haufen schlafen, sich aneinander kuscheln und/oder putzen.
Keinesfalls sollten die Tiere über Nacht in der Badewanne sitzen, sondern nur so lange, bis sich ein Kuschelhaufen gebildet hat (nach ca. 1 bis 2 Stunden).
2. Transportbox:
Als zweite Station dient eine Transportbox. Auf kleinem Raum kommen die Tiere in engeren Kontakt und nehmen nach und nach einen gemeinsamen Gruppengeruch an. Die Transportbox soll mit frischer Eintreu nur bodenbedeckend eingestreut sein. Langsam werden die Tiere sich jetzt beruhigen. Da die Annahme des Gruppengeruches eine gewisse Zeit dauert, sollten die Tiere am besten 24 Stunden in der Box verbleiben, bevor man zum nächsten Schritt weiter geht. Voraussetzung dafür ist ein friedlicher Umgang, es sollten keine Aggressionen mehr zu erkennen sein. Futter kann man den Tieren lose in die Einstreu geben, sodass gleichzeitig noch eine Beschäftigungsmöglichkeit (Futtersuche) gegeben ist. Wasser in einem kleinen Napf oder Gurke dürfen ebenfalls nicht fehlen.
Die Transportbox kann auch als erste Station dienen. Die Badewanne ist kein Muss.
3. Kleiner Käfig/ Aquarium
Nach 24 Stunden in der Transportbox erfolgt am nächsten Tag das Umsetzen der Gruppe in einen kleinen Käfig von ca. 50 x 30 cm, z. B. ein Aquarium oder eine Duna. Man gibt zunächst noch keine Einrichtung, kann den Tieren aber etwas Heu und/oder Zellstoff für ein kleines Nest anbieten. Die eingepinkelte und den Tieren bereits vertraute Streu aus der Transportbox wird in dem kleinen Käfig verteilt.
Manchmal kommt es vor, dass die Tiere sich wieder intensiv beschnuppern, sich kurz nachjagen oder auch mal quietschen, wenn sie sich bedrängt fühlen, obwohl sie dieses Verhalten in der Badewanne oder in der Transportbox nicht mehr gezeigt hatten. Das ist normal. Durch die ungewohnte Situation z. B. in der Badewanne und die beengten Verhältnisse in der Transportbox wurde dieses Verhalten nur „unterdrückt“ und tritt erst wieder auf, wenn etwas mehr Platz zur Verfügung steht.
Die VG geht jedoch erst weiter, wenn wieder Ruhe eingekehrt ist und sich alle Mäuse an die neue Umgebung gewöhnt haben.
4. Endkäfig:
Für das weitere Vorgehen gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten. Man kann die Tiere im Lauf der nächsten Tage in unterschiedliche, immer größere Gehege umsetzen (Nachteil: aufwendig und umständlich) oder man benutzt sofort den Endkäfig.
Bei großen Gehegen, wie wir sie hier empfehlen (mindestens 80 x 50 cm, besser 100 x 50 cm), ist der Sprung von einem kleinen Käfig oder Aquarium auf die volle Fläche des Endkäfigs oft zu groß. Es empfiehlt sich daher, erst einmal einen Bereich des Endkäfigs abzutrennen (z. B. nur eine Ebene freizugeben oder Trennwände einzuschieben) und den Platz dann stückweise zu vergrößern (ca. 10 cm pro Tag). In jedem Fall ist es wichtig, bei einer Vergrößerung der Fläche die gebrauchte, eingepinkelte Streu mitzunehmen, also im neuen bzw. vergrößerten Käfig zu verteilen und erst nach und nach ungebrauchte Streu hinzuzufügen.
Langsam sollte die Behausung jetzt immer größer werden, bis man schließlich bei der Endgröße ankommt.
In welchem Tempo man diese Vergrößerungen vornimmt und wie viele Zwischengrößen notwendig sind, sollte man hierbei vom Verhalten der Mäuse abhängig machen. Etwa 24 Stunden nach einer Veränderung (mehr Platz oder mehr Streu) dürften sie friedlich miteinander umgehen. Wann genau es soweit ist, hängt jedoch vom Wesen der einzelnen Mäuse und auch von der Gruppengröße ab. Sehr dominante Tiere brauchen länger, bis sie sich miteinander vertragen als ruhige und kompromissbereite. In großen Gruppen dauert es naturgemäß länger, bis „jeder jeden kennt“. Ältere Tiere sind oft gelassener als junge.
Für die Einrichtung des Endkäfigs empfiehlt sich zuerst nur ein Haus mit mehreren Ein- und Ausgängen. Schlafen alle Mäuse gemeinschaftlich in dem Haus, kann während der folgenden Tage und Wochen die geruchsneutrale Einrichtung hinzu gegeben werden, die entweder neu gekauft oder aber gut gereinigt und „entduftet“ wurde. Hierbei geht man lieber langsam vor, denn bei zu viel Neuem auf einmal sind manche Mäuse überfordert und es kann schnell wieder Streit aufkommen.
Futter und Wasser können Sie jetzt in Näpfen und an den dafür vorgesehenen Stellen. z. B. einer Futteretage anbieten. In einer schon fortgeschrittenen VG fördert ein gemeinsamer Futterplatz die Zusammengehörigkeit.
Die VG ist abgeschlossen, wenn die Tiere friedlich auf der Endgröße ihres voll eingerichteten Geheges zusammenleben. Alles in allem sollten Sie dafür mehrere Wochen einkalkulieren.
Goldene Regeln:
- Ein neuer Einrichtungsgegenstand oder mehr Streu oder zusätzliches Nistmaterial oder zusätzliche Fläche (ca. 10 cm) pro Tag ist ein guter Richtwert.
- Mäusegruppen reagieren nicht auf alle Einrichtungsgegenstände gleich. Manche Inventarteile verursachen eher Streit als andere. Deshalb ist es wichtig, das Inventar in einer bestimmten Reihenfolge anzubieten. Siehe "Inventar - kategorisiert nach 'Streitpotential'".
- Falls die Mäuse auf eine Veränderung (neuer Einrichtungsgegenstand, mehr Streu, Nistmaterial oder Fläche) dauerhaft mit Streit reagieren (auch noch nach mehreren Stunden), machen Sie die Veränderung erst einmal wieder rückgängig und entfernen den neuen Gegenstand bzw. verkleinern Sie die Fläche wieder auf die vorherige unproblematische Größe. Am nächsten Tag können Sie es mit einer kleineren Veränderung noch einmal versuchen. Nehmen Sie solche Reaktionen der Tiere ernst und glauben Sie bitte nicht, dass sich „schon alles fügen wird“. Das wird es nicht. Wenn Sie die Mäuse mit einem zu schnellen Vorgehen überfordern, vertiefen Sie vorhandene Spannungen und riskieren lang anhaltende Aggressionen und Unruhe. „Langsam, aber sicher“ ist der schnellste Weg zu einer harmonischen Gruppe!
So nicht!
Von allen weiteren Methoden wie dem Beträufeln mit Parfüm, dem Baden der Tiere in irgendwelchen Substanzen (Erkältungsgefahr!) oder auch dem Einreiben mit ätherischen Ölen ist abzuraten. Abgesehen vom immensen Stress, den es für die Tiere mit sich bringt, auf einmal vollkommen eingenebelt zu sein - schließlich riechen sie um ein vielfaches intensiver als wir - sind Nebenwirkungen, allergische Reaktionen oder ähnliches kaum erforscht und eine Giftigkeit deshalb nicht auszuschließen.
Vergesellschaftung gescheitert?
Es besteht immer das Risiko, dass sich trotz korrekter und langsamer Vergesellschaftung und entsprechender Inventarzugabe eine Mäusegruppe oder einzelne Tiere dauerhaft nicht verstehen. Dies gilt für Vergesellschaftungen von reinen Weibchengruppen ebenso wie für Weibchen-Kastraten-Vergesellschaftungen. Natürlich kann man dann in der Vergesellschaftung einen Schritt rückwärts gehen, die Gruppe nochmal in einen kleineren Käfig setzen, ein Stück ihres Käfigs abtrennen, Inventar mit besonderem Streitpotential wieder entfernen usw.
Man sollte allerdings im Hinterkopf haben, dass es Fälle gibt, in denen trotz dieser Maßnahmen Tiere einfach nicht zusammen leben möchten. Es kommt dann dauerhaft und auch nach Tagen/Wochen noch zu Jagereien, viel Gequietsche, Schwanztrommeln, im schlimmsten Fall sogar zum Kugeln und Beissen. Getrenntes Schlafen in verschiedenen Nestern ist ein weiteres mögliches Anzeichen.
Haben Sie deshalb bei Farbmausvergesellschaftungen immer einen „Plan B“ - zur Not muss eine weitere Gruppe eröffnet werden, in die besonders aggressive oder gemobbte Tiere ausweichen können. Natürlich nicht in Einzelhaft, sondern in Gesellschaft von Tieren, mit denen ein friedliches Auskommen möglich ist. Um dies zu beurteilen, ist eine gute Beobachtungsgabe des Halters erforderlich, damit auch wirklich die richtigen Tiere aus der Gruppe herausgenommen werden.
Scheuen Sie sich nicht, sich mit speziellen Fragen oder Problemen an das Forum zu wenden. Erfahrene Halter helfen Ihnen gern!