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Tumore bei Farbmäusen
Wie entsteht ein Tumor?
Jede Zelle unseres Körpers durchläuft einen Zyklus der aus mehreren Phasen besteht. Der Großteil unserer Zellen befindet sich in der G0-Phase, wobei das G für das englische „gap“ steht. Die G0-Phase ist die Ruhephase. Die Zelle geht zwar ihren normalen „Tätigkeiten“ nach, teilt sich jedoch nicht. Die meisten Zellen des Körpers sind ausdifferenziert, das bedeutet dass sie ihre endgültige Funktion erreicht haben und sich nicht mehr teilen können. Ein Bruchteil der Zellen sind Stammzellen. Diese Stammzellen besitzen die Fähigkeit sich zu teilen wenn es erforderlich ist. Dies ist der Fall, wenn Zellen in der Nachbarschaft abgestorben sind und ersetzt werden müssen, wie beispielsweise nach einem Schnitt in der Haut. Dann werden durch bestimmte Faktoren die Zellen aus ihrer Ruhephase geholt, und teilen sich so lange es nötig ist. Anschließend fallen sie in ihre Ruhe zurück.
Durch genetische Defekte kann es vorkommen, dass eine Zelle auch ohne das Signal „teil dich“ aus der Ruhephase in die Teilungsphase übergeht. Um diesen Mechanismus besser zu erläutern, muss man etwas tiefer in die Zellbiologie eintauchen.
Es gibt zwei wichtige Gengruppen, Tumorsuppressorgene, die verhindern sollen dass die Zellen sich teilen, und Protooncogene, die verantwortlich sind dafür, dass die Zellen sich auch ohne Erhalt des Signals teilen können. Beide Zelltypen sind in jeder Zelle enthalten, die Suppressorgene sind aktiv, die Protoncogene inaktiv.
Durch Veränderungen an der DNA, als Mutation bezeichnet, kann es zu einem Funktionsverlust der Suppressorgene, oder zu einer Aktivierung der Protooncogene kommen. In Folge wird der normale Zellzyklus gestört, und die Zelle teilt sich ohne Erhalt eines Signals. Es kommt zu einer Anhäufung von Zellen. Diese Zellen sind normalerweise noch nicht bösartig. Sie können nicht in den Blutstrom übertreten und Metastasen bilden. Häufig wird diese Zellansammlung jedoch von weiteren Mutationen getroffen, und es kommt zu weiteren Veränderungen der Zellen. So entstehen Tumor-Stammzellen. Nur ein Bruchteil eines Tumors besteht aus diesen Stammzellen, und nur diese können den Tumor am Leben erhalten und neu aufbauen wenn er entfernt wird. Es ist also essentiell, dass bei einer Therapie diese Stammzellen entfernt oder getötet werden.
Meine Maus hat einen Knubbel, was soll ich tun?
Tauchen an einem Tier seltsame Knoten auf, so sollte umgehend ein Tierarzt aufgesucht werden. Nur dieser ist in der Lage einen Tumor von einem Abszess zu unterscheiden. Hierfür wird der Arzt eine sogenannte Punktion durchführen: eine Spritzenkanüle wird in den Knoten eingestochen. Tritt aus der Stichwunde Eiter aus, so handelt es sich um einen Abszess, welcher relativ gut mit Spülungen und Antibiotika behandelt werden kann. Tritt dagegen nur (eine meist sehr geringe Menge) Blut aus, handelt es sich bei dem Knoten unter Umständen um eine Wucherung. Es gibt allerdings auch Abszesse mit einer sehr harten Eitermasse, welche nicht durch den Stichkanal austreten kann, sowie gut abgekapselte Abszesse die unter Umständen beim Anstechen nicht getroffen werden.
Ob die Wucherung gut- oder bösartig ist, könnte nur durch eine Biopsie mit Gewebsentnahme und pathologischer Untersuchung geklärt werden, was normalerweise nicht durchgeführt wird. Gutartige (benigne) Tumore bilden keine Metastasen und wären durchaus gut operabel. Meist wachsen sie sehr langsam. Lipome (Fettgeschwulste) sind ein Beispiel für benigne Tumore. Maligne (bösartige) Tumore wachsen teilweise sehr rasch und dringen in umgebendes Gewebe ein. Innerhalb weniger Wochen wächst der Tumor auf Walnussgröße an. Nicht jeder Tumor wird riesig. Auch sehr kleine Tumore können großen Einfluss auf den Körper nehmen. Eine geringe Größe ist kein Beweis für Gutartigkeit oder Schmerzfreiheit des Tieres. Die aggressiven Tumore neigen zur Metastasenbildung.
Ab einem gewissen Stadium ist ein bösartiger Tumor in der Lage in die Blutgefäße einzudringen. Vom Blutstrom verschwemmte Zellen können in anderen Geweben (z.B. Lunge) Tochtertumore bilden.
Ist Krebs erblich oder ansteckend?
Oben wurden bereits die beiden Genklassen beschrieben, welche außer Kraft gesetzt werden müssen, damit der Zellzyklus gestört wird. Von jedem Gen gibt es immer zwei Kopien. Bei den Suppressorgenen müssen beide ausgeschaltet werden um die Zelle entarten zu lassen, bei den Protooncogenen reicht die Aktivierung eines der beiden. Im Endeffekt braucht es in einer Zelle etwa 8 verschiedene Mutationen damit die Zelle entartet! Mit einer Mutation ist es also nicht getan. Besitzt nun das Elterntier in den Keimzellen (Eizellen, Spermien) bereits einige Mutationen so ist die Wahrscheinlichkeit, dass genug im Lauf des Lebens der Nachkommen hinzukommen, natürlich größer, als wenn das Elterntier keinerlei Mutationen trägt. Man spricht von genetischer Disposition, der Veranlagung. Es kann also sein, dass Nachkommen oder Geschwister eines Tumorpatienten an Krebs erkranken, ist aber kein Muss.
Krebs ist normalerweise nicht ansteckend. Es gibt allerdings bestimmte Viren die Wucherungen auslösen können. Ein bekanntes Beispiel sind Papillomaviren, welche zu (meist) gutartigen Papillomen führen. Diese sind unter Umständen anteckend. Bei Mäusen gibt es des weiteren verschiedene Maus-Leukämie-Viren, wie den Moloney-Mouse-Leukemia-Virus. Dieser löst ansteckende Leukämien, also Blutkrebs aus. Eine Leukämie kann an einer extrem vergrößerten Milz erkannt werden. Einige Viren (wie z.B. MCFV - „mink cell focus-forming virus“) führen auch zu einer ansteckenden Form von Lymphdrüsenkrebs, welcher als Leukose bezeichnet wird. Auffällig bei Leukosepatienten ist die Entstehung massiver Tumore in lymphatischem Gewebe. Meist betroffen sind die Lymphknoten an Hals, Achsel und Leiste, Milz und Leber sowie der Thymus (ein Organ welches bei Mauswelpen für den Aufbau des Immunsystems zuständig ist und sich beim erwachsenen Tier stark zurückbildet) können stark vergrößert sein. Der Thymus kann unter Umständen so massiv anwachsen dass er den gesamten Brustkorb ausfüllt wodurch Herz und Lungen rückseitig verdrängt werden. Anzeichen hierfür können anhaltende Mattigkeit (ohne anderen krankhaften Hintergrund!) sowie knackende Geräusche beim atmen (Zeichen für Wasser in der Lunge durch verminderte Herzleistung) darstellen. Bei Verdacht auf Leukose sollte ein verstorbenes Tier zur Obduktion eingeschickt werden. Wenn sich der Verdacht bestätigt sollten keine neuen Tiere in die Gruppe integriert werden. Die Gruppe kann entweder mit weiteren Leukosepatienten aufgestockt werden oder sollte - wenn es die erste Möglichkeit nicht gibt - aussterben.
Die meisten soliden Tumore sind jedoch nicht ansteckend.
Wie kann ich meine Tiere vor Krebs schützen?
Da Krebs eine genetische Erkrankung ist, kann man seine Tiere von erbgutverändernden (mutagenen) Stoffen fernhalten: in Tiernähe nicht rauchen, keine Lackierarbeiten durchführen und auf formaldehydfreies Baumaterial achten. Pressspanplatten dünsten Formaldehyd aus, und könnten so einen Einfluss auf die Tumorentstehung haben. bei der Verfütterung von Erdnüssen sollte auf geschälte Nüsse zurückgegriffen, und sichergestellt werden, dass die Nüsse nicht verschimmelt sind. Der Schimmelpilz Aspergillus parasiticus, welcher häufig Erdnüsse befällt, sondert das Mycotoxin („Pilzgift“) Aflatoxin-B ab. Aflatoxine haben nachweislich eine starke karzinogene Wirkung. Nach der Aufnahme werden sie in Leberzellen zu Epoxiden umgewandelt. Diese können in den Zellkern eindringen und die DNA verändern. Der LD50-Wert für Aflatoxin liegt für Ratten bei 7.2mg/kg, die Karzinogentität ist für eine Tagesdosis von 10µg/kg nachgewiesen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Es gibt keine Heilungsmethoden für Krebs. Der Gedanke an eine Operation liegt nahe, trotzdem sollte man sich vorher einige Gedanken machen.
Im Vergleich zur geringen Körpergröße ist ein Tumor bei Entdeckung (meist Erbsengröße) sehr groß. Je größer, desto mehr Mutationen hat er angesammelt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit dass er bereits Metastasen gebildet hat und an andrer Stelle erneut auftritt.
Vor allem bösartige Tumore sind häufig mit anderem Gewebe verwachsen. Wird bei der Entfernung auch nur eine einzige Tumorstammzelle vergessen, wird sich der Tumor an der selben Stelle innerhalb kürzester Zeit neu bilden (Rezidivbildung). Zudem ist es mit einer operativen Entfernung nicht getan, beim Menschen erfolgt im Anschluss eine Chemotherapie, dies ist bei der Maus nicht möglich.
Ebenfalls nicht außer Acht lassen sollte man die Beeinträchtigung der Maus durch die Operation. Das Tier hat Schmerzen, eine lange Naht, Stress durch die Operation und die anschließende Haltung auf Zellstoff. Nicht zu vernachlässigen ist das Gewicht des Tumors welches der Maus anschließend fehlt. Ist der Tumor größer als eine Erbse, ist eine Operation nicht als sinnvoll anzusehen. Man stelle sich vor, einem Menschen würde ein medizinball-großer Tumor entfernt werden. Bei geringer Größe empfielt sich eine Operation nur bei deutlicher Abgrenzung der Wucherung vom umgebenden Gewebe, denn dies deutet auf einen gutartigen Tumor hin.
Alternative Behandlungsmöglichkeiten mit homöopatischen Tropfen wie Ney Ling oder Ney Dil, sowie Spinnengiften („Tarantula“) haben keine wissenschaftlich erwiesene Wirkung. Diese Tropfen müssten täglich und ohne Aufnahme von Trägerstoffen (Backoblate, gemischt mit Nutri) aufgenommen werden. Ein Tier welches die Tropfen freiwillig zu sich nimmt könnte durchaus so behandelt werden, als nicht sinnvoll erachtet wird es jedoch bei Tieren die gefangen werden müsssen, oder das Medikament nur unter Zwang einnehmen würden. Hier überwiegt der Schaden (Stress des Tieres) eindeutig den Nutzen. Beschriebene Heilungen nach Applikation der Mittel wären aller Wahrscheinlichkeit nach auch ohne Verwendung desselben geschehen: Ein Tumor verbraucht sehr viel Energie, und zieht Blutgefäße an, die in den Tumor einwachsen. Teilweise wächst er so schnell, dass er sich selbst die Blutzufuhr abschneidet und abstirbt. Diese spontane Selbstheilung kommt vor, ist jedoch sehr selten. Hier sollte man sich besser keine Hoffnungen machen.
Was kann ich noch für mein Tier tun?
Man sollte dem Tier den Stress der (meist wirkungslosen) Operation ersparen, und ihm stattdessen ein schönes restliches Leben bereiten. Die Maus hat kein Zeitempfinden, sie denkt nicht „hach, ich würde sogerne noch den nächsten Sommer erleben“. Die Maus lebt im Hier und Jetzt, und somit tut man ihr den größten Gefallen indem man ihr Hier und Jetzt möglichst angenehm macht: viele Leckerbissen, kein Stress durch Fangen oder Vergesellschaftungen, keine großen Veränderungen am Käfig.
Schmerzen - oder wann man das Tier gehen lassen sollte
Über die allgemeine Schmerzhaftigkeit von Tumoren und das Schmerzempfinden von Mäusen ist leider wenig bekannt. Bedingt durch ihren natürlichen Überlebenswillen zeigen sie Schmerzen erst sehr spät, so dass eine Einschätzung schwer fällt.
Dennoch muss man diese sehr schwere Entscheidung irgendwann treffen, um den Tier Leid zu ersparen. Genaue Kriterien, wann die Zeit gekommen ist, kann man nicht aufstellen. Allerdings gibt es einige Anhaltspunkte, die helfen, den richtigen Zeitpunkt zu finden:
- das Tier frisst nicht mehr
- die Haut über dem Tumor wird wund, platzt auf und das Tier verliert sehr viel Blut
- das Tier sitzt nur noch apathisch in der Ecke
- das Tier beißt sich den Tumor selbst auf
- der Tumor ist so groß, dass er die Maus im täglichen Leben stark beeinträchtigt (Fressverhalten, Laufen,…)
Im Sinne des Tieres sollte man zur Bestimmung dieses Zeitpunktes wirklich nur an das Wohl des Tieres denken und, auch wenn es schwer fällt, eigene Interessen vollkommen außen vor lassen.
Die fachgerechte Tötung, also das Einschläfern, ist von einem erfahrenen Tierarzt durchzuführen.
— Enir 2010/02/01 20:00 — Sarah Kremeyer 2010/02/01 20:00